Kurt Schierings Tod: “Deutsche Zeitung,” Santiago

“Deutsche Zeitung für Chile”, Santiago, den 23. März 1918

Über Schierings letzte Tage

  • Herradura, 19. März 1918
Kurt Schiering, German artist, Taltal, Chile

Kurt Schiering, artist, Chile

[Der damals 31-jährige (c.f.)] Kurt Schiering [fuhr] nach Taltal in die von ihm mit Recht so wunderschön gefundene Pampagegend. Und von dort kehrte er nach mehrtägigem Aufenthalt nach Herradura zurück, um mit dreien seiner neuen Freunde einen Ausflug in die Hochcordillera zu machen, und um später einige größere Bilder hier zu malen.

 

Das Reiseziel waren die wegen ihre Heilquellen berühmten Baños del Toro und am Mittwoch dem 6. März, ganz früh, brachen die vier jungen Deutschen munter, fidel und gesund auf. Mit der Bahn ging es bis Rivadavia, am nächsten Tag nach sieben-stündigen Ritt durch eine schöne Szenerie gelangten unsere Freunde nach Hunaka, nach Schierings Ansicht das malerischste Dorf, das er je sah. Hütten, Mauern und Zäune, alles in Grün gebettet, überwuchert von Pflanzen und Blüten, fast begraben unter alten Bäumen. Nach kurzem Schlaf ging es nachts um 2 Uhr weiter durch die Schlucht Mal Paso, und unser Kurt Schiering erlebte nach seinem Ausspruch die romantischste Mondscheinnacht seines Lebens. Eine märchenhafte Stimmung umfing und bezauberte die Reisenden. Steile aufragende Felsen, im Tal ein rauschender Bach, ringsum tiefste Stille, nur das Klock Klock der mulas, das Knistern der Sättel, hier und da ein Ausruf der Bewunderung der vier Menschen. Alles dies vom Mondlicht umflutet. Allmählich stieg der Pfad an, die Kälte nahm zu, die Bächlein bekamen eine Eisdecke und ein Schneetreiben fing an, die Füße fühlte man nicht mehr, so drang die Kälte ein, doch die Wonne, mal wieder einen fast deutschen Wintertag zu erleben erfüllte die Herzen so mit Begeisterung, dass man die kleinen Leiden schnell vergaß. Immer höher führte der Pfad, das Schneetreiben überschüttete unsere Reiter, färbte ihre Ponchos weiß und silbern, bis dann und wann ein kühner Windstoß kam und die Ponchos hochwirbelte und unsere Deutschen dachten sie würden geschneeballt. Allmählich wurde es Tag, doch der Schnee hüllte Berge, Abgründe, alles in seinen düstern und doch so heimeligen Schleier und als unsere Reisenden den Pass de Doña Ana passierten, konnten sie das Meer, das man bei klarem Wetter von dieser 4869 m Höhe erblickt, nicht schauen.

Cerro Escabroso (5,300 m.). Un poco a la derecho se encuentra Cerro Doña Ana (Cumbre Sagrada de los Incas,  5,690 m.). (N0 se ve)

Wieder wechselte die Szenerie, wieder ging es bergab, den Baños del Toro, die auf 3200 m Höhe liegen, und wieder ein Tal, so märchenhaft schön, wieder so ganz anders als alles vorher Geschaute, so ganz eigenartig, dass alle vier Freunde sich einig waren, so überwältigend Schönes in ihrem Dasein noch nicht geschaut zu haben. Kurt Schiering, der so weit gereiste Mann, war ebenso erschüttert, ganz voller Andacht im Schauen dieser Werke Gottes. Eine Farbenpracht, so unerhört, so selbst die schimmerndste, schillerndste Pampa übertreffend, so voll schärfster Farbenkontrast, eben alles Dagewesene, alles Geschaute weit in den Schatten stellend. So alle Müdigkeit, alle Kälte des zwölfstündigen Rittes vergessend, die Seele weit auf, um all die Schönheit zu trinken, das Herz dankbar jubelnd und innerlich jauchzend, diese Herrlichkeit zu schauen, ritten unsere Reiter durch das zauberhafte Tal, vorbei an diesen Felsen, von denen dieser ganz Gold, ein anderer pechschwarz, ein dritter tiefgrün, ein vierter goldbraun und jener tiefblau schimmerten und leuchteten. Nachdem auch dieser Weg durch eine Wunderwolke ein Ende nahm, gelangten unser Maler und seine Kameraden endlich am Ziel der Ausfahrt, in den Baños del Toro an. Vergnügt, ein bisschen durchfroren, gesundmüde vom langen Ritt, wurde gegessen, in den Quellen gebadet und geschlafen. So ging auch der nächste Tag stillvergnügt dahin. In der Naht fühlte sich Kurt Schiering schlecht und schon in der nächsten Nacht, um 4 Uhr 35, hauchte unser Freund sein junges Leben aus. Es war eine kurze schnelle Krankheit, doch hat der Kranke nicht viel gelitten, da ihn bald das Bewusstsein verließ.

 

Die Freunde haben bei ihm gewacht, haben ihm an Liebesdiensten erwiesen, was sie konnten, und wenn dort oben auch manches natürlicherweise primitiv war, mit Liebe ist ihm alles getan. Sie haben ihm einen wunderschönen Ruheplatz ausgesucht, oberhalb eines Felsens, mit dem Blick auf den Berg, den er als ersten dort oben hatte malen wollen. So schön und einsam in der Majestät der Berge, so erhaben wie auf einem Friedhof liegt dort oben unser deutscher Künstler und schläft seinen festen Schlaf.   M.B.

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